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Nordkorea klein

Das 100.000 Zuschauer fassende Mayday Stadion von Pjöngjang. Daneben Nordkoreanische Briefmarken

Nordkorea -
wie der Sprung in eine andere Welt

Von Tim In der Smitten

Pjöngjang. Schon der nächtliche Anflug mit einer chinesischen Staatsmaschine über Peking - Verbindungen mit westlichen Gesellschaften existieren nicht - auf die Nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang ist wie der Sprung in eine andere Welt. Die Landebahn des größten Flughafens Nordkoreas liegt, um Geld und Strom zu sparen, fast vollständig im Dunkeln. Dafür ist die schon vom Flugzeug aus zu erkennen, vier Stockwerke hohe Statue des am 8. Juli 1994 verstorbenen Führers Kim Il Sung taghell erleuchtet. Es ist der einzige Lichtpunkt, denn sonst wirkt die Drei-Millionen-Stadt aus der Luft so, als hätte man eine dunkle Decke über sie geworfen. Die für eine Millionenstadt typischen Lichter fehlen.
Wer in die Demokratische Volksrepublik Korea reist, muss im Besitz einer staatlichen Einladung sein, sonst gibt es kein Visum. Genauso verpflichtend ist die ständige Begleitung durch einen Dolmetscher. Direkt nach der Ankunft auf dem Flughafen in Pjöngjang, gegen 18 Uhr, verlöscht die spärliche Befeuerung gänzlich. Der einzige internationale Flughafen Nordkoreas, der von keiner Gesellschaft im Linienbetrieb angeflogen wird, schließt für heute.

Nordkorea, eines der ärmsten Länder der Welt, steht am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Das Volk selber wird praktisch durch die Welthungerhilfe ernährt. Wirtschaftliche oder kulturelle Beziehungen mit Deutschland bestehen so gut wie gar nicht. Selbst diplomatische Verbindungen zur Bundesrepublik wurden erst vor neun Monaten mit der Eröffnung der Deutschen Botschaft in Pjöngjang aufgenommen. So ist verständlich, warum der Leiter des für Nord- und Südkorea zuständigen Goethe Instituts in Seoul, Uwe Schmelter, es als „Quantensprung“ bezeichnete, dass dem Orchester ,Collegium musicum' der Universität Bonn eine Einladung ausgesprochen wurde. Als erstes Orchester der Welt spielten die jungen Musiker auf einer Tournee in sowohl in Nord, als auch in Südkorea. Über das Goethe Institut wurde der Meilenstein kultureller Beziehungen organisiert.

Die Kontrolle bei der Einreise erinnert an den Grenzübertritt zwischen Ost- und West-Berlin. Zudem ist die Einfuhr jeglicher westlicher Medien sowie Handys streng verboten. Auf der zehnspurigen Autobahn in die Innenstadt brennt keine der vorhandenen Laternen und nicht mal eine Hand voll Autos sind unterwegs. Spiegelbild für den Zustand des weitgehend isolierten Landes, über das der Sozialismus seine zugleich behütende und betäubende Hand hält. In der Stadt Pjöngjang wurde im Koreakrieg fast völlig zerstört und in den 60ern im Stiel kommunistischer Plattenbauten und pompöser Betonklötze hoch gezogen. Im Stadtzentrum begegnet man – untypisch für Asien – kaum Radfahrern. Denn in Nordkorea braucht man für alles eine Genehmigung, sogar zum Radfahren. Selbst die Abgabe von Glühbirnen ist staatlich geregelt. Daher dringt aus den Hausfenstern auch nur ein schwacher Schimmer, den jeder Haushalt bekommt nur eine 40-Watt Lampe staatlich zugeteilt.

Die Fahrt geht für die Studenten, die permanent von zwei Dolmetschern geleitet werden, weiter zu einem 38-stöckigen Hotel. Das höchste Gebäude des Landes liegt abgeschieden auf einer kleinen Halbinsel im Fluss Taedong, der Pjöngjang durchfließt. Während das Volk in bitterer Armut lebt, herrscht hinter den dicken Mauern feudaler Funktionärs-Luxus. Das Hotel gilt als Hauptumschlagplatz für Devisen. Moderne, westliche Ausstattung und feinstes üppiges Essen, bilden einen krassen Widerspruch zur hungerleidenden Bevölkerung für die es, im Gegensatz zum Hotelangebot, keine vergnügliche Ablenkung gibt. Bars, Discos, überhaupt ein öffentliches Nachtleben existiert nicht. Die wenigen Laden verstecken sich meist hinter normalen Hausfassaden und sind für Ausländer unerreichbar, denn jegliches selbstständige Bewegen in der Stadt ist für Ausländer strengstens untersagt. Und auch mit Begleitung ist es verboten, die Innenstadt von Pjöngjang zu verlassen.
Einen Einblick ins Nordkoreas Propaganda gibt das Fernsehprogramm im Hotel. Täglich wiederholt der staatliche Sender zwei Filme. Einen über den Führer und einen it Folterszenen. Mit diesem Film wird überdeutlich was demjenigen droht, der nicht staatstreu ist. Offensichtlich zeigt diese Indoktrination bei großen Teilen der Bevölkerung Wirkung. Die Abschottung von Einflüssen und Informationen von außen begünstigt das. Da nur inländische Rundfunk- und Fernsehsender empfangen werden können, alle Geräte gemeldet sein müssen und regelmäßig überprüft werden, konnte der Einfluss von Informationen über das Ausland bislang eingegrenzt werden.Ausländische Zeitungen oder Internet für die Öffentlichkeit sind undenkbar. Gleichwohl gibt es unter den Intellektuellen weit verbreitete Kenntnisse über die Lage in der Welt. Die Existenz von zwölf Lagern mit etwa 2500 politischen Häftlingen weist auch darauf hin, dass das System nicht so monolithisch ist, wie es erscheint

Nach dem Tod seines Vaters hatte Kim Jong Il drei Jahre lang weder Parteiführung noch Präsidentschaft übernommen. Das war keineswegs Zeichen der Schwäche, sondern Zeichen der Ehrerbietung vor seinem Vater. Er war trotzdem, auch ohne offizielle Amtsübernahme, weitgehend unumstrittener Führer. Die Figur des verstorbenen Kim Il Sungs, dessen Name öffentlich nur mit dem Attribut „der große Führer“ bezeichnet wird, ist überall präsent. Auch nach seinem Tod behielt er das Amt des Präsidenten. Besonders am 9. September, dem Tag der Staatsgründung wird, ein unvorstellbarer Personenkult um ihn zelebriert. Vor seinen überall angebrachten Bildern und der großen Statue kommen in Tränen aufgelöste Alte, vor Ehrfurcht erstarrte Kinder sowie Soldaten zusammen, um Kränze niederzulegen.

Am gleichen Abend verfolgen die Studenten auf staatliche Einladung eine gleichsam erschreckende, wie unvergessliche Lehrstunde kommunistischer Propaganda. rund 60 000 Nordkoreaner haben sich im größten Stadion des Landes versammelt, um einer sogenannten Massengymnastik zu Ehren des Führers und seines Sohnes beizuwohnen. Nach einer martialischen Militärparade und nachdem tausende Kinder minutenlang den Namen des Führers skandierten, beginnt das pompöse Spektakel. Mittels farbig abgestimmter Papptafeln, die von 50 000 Menschen gleichzeitig hochgehalten werden, lassen sie eine riesige bunte Leinwand wie eine überdimensionale Anzeigetafel entstehen. Darauf sind Propaganda-Sprüche und Heimatbilder abgebildet. Während dessen führen auf dem Rasen führen rund 30 000 Mädchen synchron ihre Gymnastik vor. Ein unvergessliches, fast unwirkliches Bild.

Ein ganz anderes Thema ist das seit Jahren angespannte Verhältnis zu Südkorea. Es wird von der permanenten Furcht vor einem Übergreifen systemzersetzender Ideen beherrscht. Es gibt zwischen beiden Koreas keinen Friedensvertrag, sondern nur eine seit 1953 bestehende Waffenstillstands-Linie. Für die Wiedervereinigung wird das Programm des verstorbenen Kim Il Sungs verfolgt, das eine Konföderation der beiden Staaten unter Beibehaltung eigener Regierungen und unterschiedlicher Gesellschaftssysteme vorsieht. „Momentan spricht man in Nordkorea noch mehr von Öffnung, als man dafür tut. Oft habe ich den Eindruck, dass das System an seine selbst gesetzten Grenzen stößt und man gerne mehr tun würde“, erklärt Uwe Schmelter vom Goethe Institut. So erwies sich die auf kultureller Ebene überaus erfolgreiche, Grenzüberschreitung in der geographischen Realität als sehr schwierig: Die Reise von Nord- nach Südkorea war nur über China möglich.

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