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Midori Dan Borris2

Foto: Dan Borris

Eine Virtuosin zeigt Herz

Die 30-Jährige Geigerin feiert
 20 Jahre Bühnenjübiläum

Von Tim In der Smitten

Dortmund. Mit zehn kam das Mädchen aus dem japanischen Osaka an der Hand ihrer Mutter nach New York. Mit zwölf legte die Kleine – aus wütendem Protest gegenüber dem die Familie verlassenden Vater – ihren Nachnamen ab und seitdem kennt die musikalische Welt sie nur noch unter ihrem Vornamen: Midori. Heute, 19 Jahre später, gilt die 31-Jährige als eine der weltbesten Solo-Geigerinnen und feiert ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum.
         Den Zugang zur Musik verdankt Midori ihrer Mutter Setsu Goto, einer ehemaligen Orchestergeigerin. Oft, wenn sie probte, nahm sie ihre kleine Tochter im Kinderwagen mit in den Musiksaal. Eines Tages, Midori war nicht einmal drei Jahre alt, hörte Setsu Goto, wie ihre Tochter die Melodie eines Bach-Stücks summte. Das Werk hatte die Mutter einige Tage zuvor geprobt. Zu ihrem dritten Geburtstag bekam Midori dann eine winzige Geige und schon drei Jahre später gab sie ihr erstes Konzert: Eine Paganini-Caprice.
           Nach Amerika ausgewandert, bat sie Star-Dirigent Zubin Mehta zum Vorspiel. Er war so angetan von ihr, dass die elfjährige Midori am Neujahrsabend 1982 unter ihm, als Überraschungsgast, ihr sensationelles Debüt mit den New Yorker Philharmonikern gab – da war sie gerade mal elf Jahre alt. Von da an eroberte die einstige „Überraschung“ die Musikwelt im Sturm. Bereits drei Jahre später schaffte sie es auf die Titelseite der „New York Times“. „Mädchen (14) erobert Tanglewood mit drei Violinen“, titelte die US-Zeitung über das Konzert, in dem Leonard Bernstein einen Kniefall vor Midori machte, nachdem sie zweimal die Geige wechseln musste, weil ihr die E-Seiten rissen. Geistesgegenwärtig schnappte sie sich zuerst die Stradivari des Konzertmeisters und dann, als wieder eine Seite riss, die Geige seines Stellvertreters. Ohne die geringste Veränderung im Klang und ohne etwas auszulassen, spielte sie das Stück grandios zu Ende.
       Ein Lebenslauf, der das Klischee vom Wunderkind weckt: Mit stundenlangen Proben und eindimensionaler Ausrichtung auf die Karriere. „Nach 20 Jahren“, sagt Midori, „ist es schwer die Momente festzulegen, die wirklich etwas verändert haben. Vieles schien mir damals lebensverändernd. Heute sehe ich zurück und diese Momente sind – wie wir in Japan sagen – wie die ,Träne eines Vogels’.“ Einschneidend sei aber die Entscheidung gewesen, mit 15 Jahren die berühmte Juilliard-Schule für Hochbegabte zu verlassen. „Damals war es wichtig für mich, eigenständig zu sein. Heute blicke ich zurück und es ist gar keine so große Sache.“ Doch lange habe sie mit der Angst gelebt, dass jeder Fehler, den sie macht, darauf zurück geführt wird, dass sie die Elite-Schule verlassen hat. „Ich wurde sehr vorsichtig“, sagt sie. „Es sind schon viele Erwartungen, die da in eine sehr junge Person gesetzt werden. Ich habe aber  immer verstanden, dass es Menschen gab, die an dem zweifelten, was ich versucht habe und werden wollte. Und ich weiß nicht, ob das gesund für ein Kind ist.“ Und wie sieht es mit Glück aus? Welchen Anteil hat er an einer solch außergewöhnlichen Karriere? „Da gibt es so etwas, wie Glück. Das fühle ich. Aber wenn das Glück einmal ,streikt’, muss man vorbereitet sein für die notwendigen Erfahrungen. Harte Arbeit ist unerlässlich. Ich kenne keinen erfolgreichen Künstler, der nicht extrem hart arbeitet“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung. 
         Ein stabiler Pol in ihrem Leben ist ihr Pianist Robert McDonald, mit dem sie seit 15 Jahren zusammen auftritt. „Die wichtigste Sache, die ich von ihm gelernt habe, ist die Wichtigkeit, die Notwendigkeit und der Wert, jemandem zu vertrauen“, sagt sie. Vielleicht drückt die große Geigerin ihm ihre Dankbarkeit dafür dadurch aus, dass sie die Anweisung gegeben hat, ihren Namen niemals größer als den von McDonald auf ein gemeinsames Plakat zu setzen.
           „Ich strebe danach, eine möglichst gute Person zu werden“, sagt Midori, die ihr Psychologie-Studium an der New Yorker Universität nach dem Bachelor nun auch mit dem Magister abschließen wird. Dass sie es ernst damit meint, nach dem Guten zu streben, beweist sie mit der von ihr vor 10 Jahren gegründeten Stiftung „Midori & Friends“. Ziel der Stiftung ist es, Kindern an ausgewählten öffentlichen Schulen in New Yorker und Japan die Möglichkeit zu geben, mit Musik in Berührung zu kommen. Dazu erhalten die Kinder regelmäßigen Musikunterricht von Pädagogen, die die Stiftung bezahlt.  Rund 25 Konzerte pro Jahr widmet Midori ihrer Stiftung. Neben ihrer Stiftung für benachteiligte Kinder setzt sich Midori auch für die Förderung der Kammermusik ein und tritt dazu ohne Gage in kleinen US-Dörfern auf. Dafür verwendet sie unter anderem den mit 50 000 US-Dollar dotierten Avery Fischer Preis, der ihr im letzten Jahr verliehen wurde. Und als sie im vergangenen Oktober ein Konzert bei Dresden gab, stiftete sie ihre Gage für die Bewältigung der Flutschäden.
                 Wenn Midori mit ihrer Geige (eine mehrere Millionen Euro teure ,Guanerius del Gesu’ von 1734, die ihr von der Hayashibara-Stiftung auf Lebenszeit verliehen wurde) die Bühne betritt, verwandelt sich die so zierlich wirkende 31-Jährige in ein wahres Energiebündel. Dort dreht und windet sie sich mit solcher Energie, dass ihre langen schwarzen, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haare nur so umher wirbeln. „Wenn ich spiele nutze ich meinen ganzen Körper. In der Musik, die ich hervorbringe, gehe ich vollständig auf. Ich gebe alles, was ich habe – nicht nur körperlich.“
         Und ihre Ziele für die Zukunft? „Die Zukunft ist das Ergebnis des Jetzt. Es geht darum, auf die richtige Art und Weise zu leben. Dazu gehört es auch, Menschen genau zuzuhören und auf das zu achten, was um einen herum geschieht.“

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